Mittwoch, 13. Dezember 2017

Dornröschenschlaf



Bevor man Dornröschens
Märchenprinzen
 tel quel als sexistischen und frauen-
feindlichen Unhold
brandmarkt, sollte man
 vielleicht zuerst einmal
das zentrale Motiv
näher untersuchen:




Den Zauberschlaf,
und wer an Dornröschens
 todesähnlichem 
Zwangsschlaf Schuld hat.




Vordergründig ist es die 
 vergessene, zum Fest nicht 
eingeladene, dreizehnte “böse”Fee,
die Dornröschen mit einem 
Todesfluch belegt,  der nur 
durch einen Gegenzauber 
der letzten der zwölf 
“guten” Feen zu einem 
100jährigen Zauber- bzw 
Zwangsschlaf
abgemildert werden kann. 




Das wundersame Geschlecht der Feen 
gilt als heil- und unheilbringende
 Schicksalsmacht.




An ihrem 15. Geburtstag trifft
Dornröschen auf eine spinnende
 Alte, ...




... hinter der sich wohl die
 dreizehnte Fee verbirgt, sticht sich
 an einer Spindel
 und fällt in tiefen Schlaf.





Die “böse” Fee wird 
von Einigen mit dem
 Wechsel vom matriarchalen
Mondjahr mit 13 “Monden”, zum 
patriarchalen Sonnenjahr 
mit nur noch 12 Monaten in 
Zusammenhang gebracht.




 Sie selbst ist also vergessen, 
verdrängt, vom 
Leben ausgeschlossen, 
ins Jenseits verbannt  
und rächt sich mit ihrem 
Todesfluch an Dornröschen.




Der Zwangsschlaf trifft 
auch das ganze Hofgesinde...




... das ganze Reich, dessen
 zukünftige Herrscherin
Dornröschen nachälterem
Recht wäre.
Der Schlaf ist das alles
des Märchens.



"Und dieser Schlaf verbreitete
 sich über das ganze Schloss:
der König und die
Königin, die eben
heimgekommen waren
 und in den Saal getreten
waren, fingen
an einzuschlafen und
der ganze Hofstaat
 mit ihnen.




Da schliefen
auch die Pferde
 im Stall, die Hunde im
Hofe, die Tauben
auf dem Dache, die
Fliegen an der Wand,
ja, das Feuer, das auf
dem Herde flackerte,
 ward still und schlief ein,
 und der Braten
 hörte auf zu brutzeln,
und der Koch,
der den Küchenjungen,
weil er etwas
 versehen hatte, in
den Haaren ziehen
wollte, liess ihn los
und schlief.




 Und der
Wind legt sich, und
auf den Bäumen vor
dem Schloss regte
sich kein Blättchen
mehr. Rings um das
Schloss aber begann
eine Dornenhecke zu
 wachsen, ...




... die jedes
 Jahr höher ward, und
endlich das ganze
 Schloss umzog und
darüber hinauswuchs,
 dass gar nichts davon
 zu sehen war,
 selbst nicht die Fahne
 auf den Dach."




Der ursprünglich  
Schuldige am Feenfluch
 ist also der alte König, der 
die dreizehnte Fee nicht 
eingeladen hat, 
weil er nur 12 
goldene Teller hat.
Der Vorwurf, dass 
Märchen  patriarchale 
Geschlechterrollen transportieren,
lässt sich somit
nicht ganz 
von der Hand weisen. 
Frühere, ursprünglichere Formen 
der mündlich 
weitererzählten Märchen,
 unterlagen vielfachen 
Ueberlagerungen,
die versuchten, die 
Geschichte den veränderten
 Gegebenheiten anzupassen
und sie damit bis zur
Unverständlichkeit
verfremdeten..

Ist die als Todesfluch 
interpretierte Feengabe der
dreizehnten Fee aber
 überhaupt ein Fluch ?




Oder ein "patriarchales"
Missverständnis?

Weist er  vielleicht 
ursprünglich  auf einen
 "Einweihungsschlaf"
 in die “Anderswelt”,
ins jenseitige Reich
der Feen hin?
Auf verdrängtes, unterdrücktes, 
verloren gegangenes Wissen.
 Auf einen initiatorischen 
Uebergang, eine Liminalsphase,
eine “Seelen- oder Jenseitsreise” 
hin, wie sie etwa auch im
 Märchen “Frau Holle” 
unternommen wird?




Das Märchen erzählt nichts darüber,
was das schlafende Dornröschen in
diesen hundert Jahren erlebt.
Ob sie tief und traumlos den dunklen
Zwangschlaf schläft,
ohne jegliches Bewusstsein,
oder ob sie in wachem Hellschlaf
in die Geheimnisse 
der 13. Fee eingeweiht wird,
hinter der sich wohl 
die alte Göttin verbirgt.




Davon hängt aber auch
ab, wie die Rolle
des...


... "erlösenden" Prinzen
verstanden wird.




Der "rettende Prinz" ist in den
Darstellungen im Laufe der 
Zeit zu einer schier 
unerträglich süsslichen
schablonenhaften Gestalt
 verkommen, ...


... oder wird, wie in
schwankhaft in 
Lächerliche gezogen.


"Nun waren aber gerade die hundert 
Jahre verflossen, und der Tag war 
gekommen, wo Dornröschen wieder
 erwachen sollte. Als der Königssohn 
sich der Dornenhecke näherte, waren
 es lauter grosse schöne Blumen, die
 taten sich von selbst auseinander
 und liessen ihn unbeschädigt hindurch, 
und hinter ihm taten sie sich wieder
 als Hecke zusammen."

Ist er ein der Jenseitsfahrt Kundiger,
der den Zwangsschlaf,
 die Dornenhecke überwindet, 
in der seine Vorgänger
zu Tode kamen und
das "somnambule"
Dornröschen zu erwecken vermag.

Oder ist er einfach
zur rechten Zeit am rechten Ort und
 hundert Jahre des
Schlafzaubers sind gerade um ?