Eine schmale, steile Treppe in einem
Hinterhof am Spalenring führte
mich Mitte der 60er Jahre in
den spartanisch eingerichteten Dojo
von Sensei Leo Gisin, wo ich
mich in die Geheimnisse
fernöstlicher Kampfkunst
einweihen lassen wollte.
Damals noch ein dünner "Spränzel",
stand ich einem fast 1.90 grossen,
Ehrfurcht gebietenden,
hünenhaften Riesen gegenüber,
der mir in den nächsten Jahren
Falltechnik, Würfe,
Hebel-und Festhaltegriffe
einbläuen sollte.
Leo Gisin 23.2.1934 - 27.Januar 2020
SJV Pass-Nr. 55 war damals
einer der ganz Grossen
im schweizerischen Judo.
1950 wandte er sich
beim JC Basel diesem
weitgehend noch als exotisch
geltenden Sport zu,
um “Dampf ablassen zu können” .
Nur vier Jahre später war er Dan Träger
und erreichte im Lauf seines Lebens
den 7. Dan im Judo und
den 2. Dan im Jiu Jitsu.
Fünf Schweizer Einzelmeister-Titel,
sowie mehrfacher
Schweizer Mannschaftsmeister
und Cupsieger mit dem JC Basel zählen
zu seinen nationalen Erfolgen.
Neben mehreren
internationalen Meisterschaften
nahm Gisin auch an vier
Europameisterschaften
und an der WM 1961 in Paris teil.
Neider verhinderten, trotz
Olympiaqualifikation, seine
Teilnahme an den olympischen
Spielen 1964 in Tokyo,
Weil er für Privatunterricht einmal
wöchentlich 8.-- Franken verdiente,
wurde ihm vorübergehend der
Amateurstatus aberkannt.
Zwar wurde er noch vor
der Abreise rehabilitiert,
aber laut offizieller Version,
war das Flugzeug ausgebucht
und er fand keinen Platz mehr.
So beendete er 1964 seine aktive
Sportlerkarriere.
1965 wurde Gisin zum Nationalcoach ernannt.
sieben Europameisterschaften, zwei
Weltmeisterschaften und den
Olympischen Spielen 1972 in München.
Daneben baute er seinen Judoclub
Budokan auf und eröffnete
im Raum Basel 3 Kampfsportschulen,
wo Judo, Ju-Jitsu,
Karate und Aikido unterreichtet
wurde. Er hatte zeitweilig
bis zu 750 Schüler, darunter war auch ich.
Daneben betrieb er einen Laden für
Budoartikel am Spalenring in Basel.
Die späteren Jahre verbrachte er in seinem
selbstrenovierten Haus im Jura
und betätigte sich als Experte und
Sammler fernöstlicher
Kunstgegenstände.