Mittwoch, 2. August 2017

Dialekt - Mundart 1




Immer öfter beschleicht mich 
das Gefühl, das “meine” Welt,
die Welt in der ich 
aufgewachsen bin und die
mich geprägt hat, langsam in den
 Nebeln der Zeit verschwindet.
Sich schleichend auflöst, und irgendwann
 einfach nicht mehr da ist.




Ein Prozess, der vor Jahrzehnten 
seinen Anfang nahm nähert sich
seinem vorläufigen Abschluss.
Kaum ein Haus, an dem ich auf meinem 
Schulweg vorbeigekommen
bin, steht noch,.
Zum Teil wird bereits zum zweiten
 Mal neu gebaut.

Gesichtslose Häuser
ohne Charakter und Individualität, wie 
sie offenbar dem 
Zeiteschmack  entsprechen.




Auch die Sprache verändert sich. 
Man hat nicht mehr “weh”, 
sondern  “Schmerzen”.
 Man geht nicht mehr zum “Doggter”,
 sondern zum Arzt.
Der Eiskasten oder Frigidaire ist zum 
Kühlschrank mutiert.




Der “Angge” zur Butter,
das "Aabebapier"
(Toiletten-oder WC Papier)  
wird nun Klopapier genannt.
"Uffzgi"(Hausaufgaben)
 heissen "Huusuffgobe".

Winzigkeiten im Einzelnen, die aber 
im Ganzen  dazu führen, dass der 
Enkel den Ahn’ in einfachsten, 
alltäglichen Dingen nicht mehr versteht.
wenn ich erzieherisch
wertvolle Sprüche, wie
” hesch Milch, Brot und Angge,
kasch Gott dangge”
weiter zu vermitteln suche...




Allerdings wurde meist schon früher
mit dem Wort Butter geworben,
sogar in Verbindung
mit Mundarttext.




Der "Angge" oder "Anke" blieb
der gesprochenen oder
 gesungenen Sprache
vorbehalten.

"Mir Senne hei's lustig, mir Senne hei's guet
Hei Chäs und hei Anke, das git üs guets Bluet".

Also, alles in Butter?


 In den Basler
 Kindergärten sei der Dialekt am
Verstummen, seit  die Sprachregelung
 «Standarddeutsch und Dialekt» gilt.

Die bunte Vielfalt des Dialekts
 weicht einem ab
Kindergarten eingebläuten
 Hochdeutscheintopf.

 Der Einwand, dass die Kinder
die Mundart beim Spielen erlernen,
überzeugt nicht, da der Anteil
 an fremdsprachigen
Kindern oft grösser ist, als der der
Einheimischen. In vielen Quartieren
erlernt man auf der
Strasse höchstens ein
"balkaneesisch"
eingefärbtes  Baseldeutsch

"Voll krass, Monn !"

Viele baseldeutsche Mundart-
ausdrücke, Sprach- und 
Wortnuancen gehen
dabei leider verloren.




Ich meine jetzt nicht jenen oft gestelzt
 klingenden Dialekt des “Daigs”,
das Dalbanesisch der
bildungsbürgerlichen Oberschicht
 des letzten Jahrhunderts,
der von Fasnächtlern meist
etwas aufgesetzt kultiviert wird,
sondern die "normale", gebräuchliche
 Alltagssprache in und rund um Basel..

Wörter und Begriffe verschwinden,
wenn die tägliche Anschauung
 nicht mehr gegeben ist.





Heute weiss  fast niemand
mehr wer der "Glegglimaa" ist,
weil der “Gleggliwaage” längst
verschwunden...





...  und auch
der "Wyschetekibel" und
 dann der “Mischkübel”
 sind längst dem “Abfallsack”
gewichen ist.
 Dass die dazugehörigen
Abfall- Marken  und Säcke
nun aber an der Supermarktkasse
  als “Kehrichtmarken” oder
"Kehrichtsägg"
 verlangt werden, ...





... und der
”Mischtkübelmaa” nun als
“ Kehrichtmaa”bezeichnet wird,
sind Germanismen die
 mich doch etwas stören.
Der Einfluss des Hochdeutschen
stört mich auch, wenn
von "Träppegländer"
statt "Stägegländer",
vom" Pfärd" statt "em Ross"
die Rede ist, wenn es,
"desswäge" heisst,
statt "wäge däm".

“Wäge däm muesch du nid trurig si,
wäge däm, wäge däm, wäge
däm. ”

Auch pseudomundartliche Ausdrücke
wie zu erwartende “erheblichi Niderschleeg“
sind mir ein Gräuel. was  doch einfach
heissen sollte: „Es chunnt
allwäg  fescht ko rägne.“

Die Klage ist allerdings nicht neu.

"Das het der Gross-
vatter scho mit der Geissle klepft!"




Eduard Strübin (1914 -2000 )
 stellte bereits 1944 in
"Strömungen in einer Stadtmundart" fest:

„Gross ist die Zahl der Ausdrücke, die dem
deutschen Grosstadtjargon entnommen sind
und bald in hochdeutscher Form, bald in
fadenscheinigem Mundartmäntelchen
 einherkommen." Er nennte etliche Beispiele,
die zum Teil wieder verschwunden sind,
oder sich so eingebürgert haben,
dass niemand mehr den deutschen
 Grosstadtjargon als Ursprung ahnt."

"Man hats nicht leicht, aber leicht
hats einem,"
"Nur die Ruhe kann es
bringen,"
 " Nei, nei, mein lieber Schwan,"
("mein lieber Scholli!")
" Ran an den Speck!"
"D'Sach isch im Butter"
 "dä Mensch het e Vogel",
"dä het Schwein",
"haus ab in Topf",
"du bisch Hängema,"
"Kunststück!",
" Künstlerpech!",
 "E Geheul mache",
"im Tempo
 des gehetzten Affen".
Besonders fallen auch einige
Adjektive auf: gerisse, fertig
(dasch e fertige Blödsinn),
 schaurig, schandbar, aschgrau,
 ohnmächtig, kei blassi
 (Ahnig) ha, platt (erstaunt) sy,
 rum (erledigt) sy,
 dä isch mause (mausetot). “




Auch wenn das Wort „Fuessball“
 das altehrwürdige Wort
„schutte“ vielfach abgelöst hat,
so ist doch zu bedenken, dass auch dieses nicht
 allerreinste Mundart ist, sondern sich vom
Englischen (to shoot, schiessen). herleiten soll .

Schon frühere Generationen
fürchteten den Untergang der
Mundart.
Vielleicht hat es einfach
mit dem Altwerden werden
zu tun?

Sprache ist Teil der eigenen
 Geschichte und Identität. Verändern
sich Wörter, oder verschwinden sie gar,
geht  auch ein Stück dieser Identität verloren,
die eigene Welt entschwindet,
Stück um Stück.