Montag, 13. März 2017

Der "Waggis"




Vorbei die Fasnacht in Basel und höchste
 Zeit, die Frage der
 wissbegierigen Enkel zu
 beantworten, was 
denn eigentlich ein "Waggis" sei.




Die Fasnachtsfigur
des "Waggis" hat sich
in den letzten Jahrzehnten 
enorm verändert.
Betrachtet man etwa
die Darstellungen
auf Niklaus Stoecklins
Bildern, ...




...  oder auf alten Fotografien,
so haben diese "Waggisse" wenig 
zu tun, mit den ins 
gigantische überzeichneten
Figuren, die man heute 
an der Fasnacht antrifft.
Noch ist kaum etwas zu sehen
von den gigantischen Perücken,
die heute Mode sind.
Eine simple Zipfelkappe
zeichnete den "Waggis" aus.



Lothar Jeck 1927




Nun, dass es sich beim 
"Waggis"  ursprünglich 
um einen elsässischen 
Taglöhner handelte,
weiss man noch vage
aus dem Stegreif...




Dessen Kleidung ist auch das 
Waggiskostüm nachempfunden.
Eine detaillierte
Beschreibung findet 
sich im Webjournal
von wo auch dieses Foto stammt.

Weisse oder schwarze
Zipfelmütze,
Vatermörderkragen,
rotes Halstuch, (Foulard)
blaue Arbeitsbluse,
Ringelsocken,
(elsässische) Holzschuhe 
und in
 der Hand ein
"Munifisel".

Die bleu-blanc-rouge
Rosette kam wohl erst später
dazu.



Eine der ältesten Darstellungen
 eines Waggis
an der Basler Fasnacht aus
"Paedagogia" von 1874.




Ob es sich beim Fackelträger
auf Hieronymus Hess'
Darstellung des
Morgenstreichs um einen Waggis
handelt, ist ungewiss.

Woher das Wort kommt, 
ist ebenso ungewiss, wie umstritten.

Dass die Bewohner 
des „Wasgaues“ 
 (Vogesen)  Wasgauer 
genannt und daraus das Wort 
 Woggis oder Waggis
entstanden sei, dürfte 
bei manchem Elsässer
schlecht ankommen, denn 
der "Waggis" galt allgemein
als übler Vagabund und
 und Herumtreiber.




Der  ursprüngliche "Waggis"
war kein elsässischer
Gemüsebauer, wie manchmal
vermutet wird,
sondern eher
 ein Kind des Mülhauser
Industrieproletariats.
Aber die Reihe
der Vermutungen
ist lang.



Charles Hindenlang

Im Deutsch-Französischen
Krieg 1870/71
wurde "Wackes" mit dem
Strassburger Pöbel
gleichgesetzt.

1877, als das Elsass 
also wieder einmal 
zum Deutschen Reich gehörte,
wagte die”Gartenlaube” 
folgende  Erklärung
zur Herkunft des Begriffs :
”Will der Elsässer einen 
Gegner zum Streit
 veranlassen, so ruft er ihm zu: „
Wax!“ (bisweilen auch„Wox!“). 
Es scheint dies eine 
Art Herausforderung zu 
sein. Lange hat man 
keine Erklärung dieses 
fremdklingenden Wortes 
gefunden; es ist aber jetzt 
festgestellt, dass es eine
 Zusammenziehung 
der beiden Worte: 
Wage es (mich 
anzugreifen, mir
 nahe zu treten usw.) "

Diese etwas  abenteuerliche 
Interpretation  mag vielleicht 
durch den “Munifisel” 
( Ochsenziemer) der
zu den unabdingbaren
Utensilien
des "Waggis "
gehört,
untermauert sein.


Hansi

In der Zabern-Affäre
(Affaire de Saverne
oder Incident de Saverne)
 führte das Wort "Wackes" 1913
 zu einer innenpolitischen Krise
 im Deutschen Kaiserreich.

Die  elsässische Bevölkerung
fühlte sich beleidigt,
nachdem   der 20-jährige
 Leutnant Günter
Freiherr von Forstner
 elsässische Bevölkerung
beleidigt und angegriffen  hatte.
 „Und wenn Sie dabei
so einen Wackes über
den Haufen stechen,
so schadet es nichts”.
sollen angeblich seine
Worte gewesen sein.




Das Schweizerische 
Idiotikon meint hingegen:
 "Alte Quellen fehlen; erstmals 
schriftlich belegt
 findet sich der Waggis 
im Jahre 1870 in der 
Schweizer Zeitschrift 
“Gwunderchratte”. 
Das Wort kommt in den 
Varianten Waggis, Wagges,
 Wackes und ähnlich 
 in weiten Teilen des 
deutschen Sprachgebietes vor – 
in der Nordwestschweiz,
 im Elsass, in Lothringen, 
Luxemburg, Saarland, 
Rheinland-Pfalz, Hessen, 
Baden-Württemberg, 
Teilen Bayerns, Thüringen
 und Südostsachsen. 
Als Bedeutungen geben 
die Wörterbücher zumeist
 liederlicher Mensch, Grobian, 
Rüppel, Nichtsnutz,
 Taugenichts, Herumtreiber, Lümmel,
 Strolch und Ähnliches an."




Der Baselbieter
 Sekundarlehrer 
Gustav Adolf Seiler führte 
in seinem Basler Mundartwörterbuch 
von 1879 "Waggis"
 auf lateinisch vagus 
"Landstreicher"zurück.

Eine andere Erklärung nennt
1902 der baselstädtische Volkskundler
 Eduard Hoffmann-Krayer.

Danach liegt Waggis, Wackes das 
schriftdeutsch zwar ausgestorbene, 
dialektal aber da und dort
 noch lebendige wagge(n), 
wacke(n) "sich hin und her bewegen, 
wackeln, schwanken" zugrunde.
1963/4 untermauerte der 
Freiburger Germanist O.Werner 
diese These.

Es gibt auch die Meinung, dass
"Sauwackes" sich
 eingedeutscht  von dem
französischen "sauvage" ableite.
Nun, darüber, welche
Theorie nun gilt,
streiten sich die gelehrten Häupter.?

Eine Fülle von 
weiteren Detailinformationen
findet sich auf 
dem Webjournal
 auf das  ich 
ausdrücklich hinweisen
 möchte.




Nachdem Zweiten Weltkrieg
entfernte sich die
Figur des Wagnis
an der Basler Fasnacht immer
mehr von seinem
historischen Vorbild.




Vor allem die Larven
wurden immer
 grotesker, ...





...  die Perücken
immer riesiger.