Montag, 10. April 2017

Hösch tu! - Basler Höschsprache




Hösch tu!  soll sich von 
hörst du! ableiten.
Hösch! oder hösch du! oder Hösch tü!
 ist eine stereotype Anrede und wird
 oft jedem Satz
vor- oder nachgestellt. 
 ("Hösch, Digge, mach
 keini Lämpe, hösch!")


Die Rheingasse zehrt noch bis
 heute  ein wenig von dem 
Ruch des Verbotenen, der
sie einst umgab,...




... obwohl sich 
das Milieu längst  in andere 
Winkel  der minderen
 Stadt verzogen hat. 




Die alte Höschsprache
 erinnert noch
an die Zeit, als man dort
 "uff d'Wälle" ging,
" E Wälle mache, rysse,
 baue, schmättere "
was eine Sumpftour in
mehreren "Spunten" meinte.




Dort wo die "Schnalle", die
 "Drotwaaramsle" und die 
"Waggeldante" (leichte Mädchen),
 für ihren  "Megg" oder
 "Stenz" (Zuhälter) auf die
 Gasse gingen und
 so manchen “Dilldapp ”  
( Dummkopf )  in ihren
Duubeschlaag (Taubenschlag,
Zimmer mit freiem Zugang )
zu locken suchten, um ein
"Höpperli" zu machen.

Wo man, wenn man nicht aufpasste,
“ins Gläppergässli laufen ” konnte.




Niklaus Stoecklin / Rheingasse


Das ging von "aim der Gummi ryybe "-
jemandem  die Meinung sagen  bis zu
"aim e Hampfle Finger ins Gsicht wäärfe"  -
jemanden ohrfeigen  oder
 eim eini bache (herunterhauen).
"öbberem aini zinggiere " -
jemandem einen Schlag
auf die Nase (Zinken) versetzen,
so dass dieser "s Füür im Elsass sieht"
- Funken vor den Augen sehen .


"Wotsch Ranzeschnitte, hösch?""
"Uff e Sagg gä"
"Pass uf, i schloh di
pfundwys us de Hose! "
"Mach mi nit müed, suscht
schwätzisch underem Tisch füre!"
" Mach der Kopf zue, suscht muesch
„Hörnli eifach"" löse! "
(Gemeint ist das Billett
nach dem Friedhof „Hörnli").




Die „Höschsprache“
(Auch Ruechesprooch,
 Stenzesprooch, Rhygassprooch,
 Rhyhafesprooch, Gnullerisprooch.)
war eine ordinäre Dialektvariante
des Kleinbasler Industrieproletariats
die von etwa 1930 bis Ende
der 1950er Jahre gebräuchlich  war.
 Rheinhafen und Chemische Fabriken
 hatten eine buntgemischte
 Bevölkerung angezogen, so dass
 Horburgdütsch (nach
dem Horburgquartier)
 als Beispiel für "schlechtes"
 Baseldeutsch galt.

Ein derbes, grobianisches "Kleinbasler
Spezialidiom" das Anleihen auch
 beim Rotwelsch und der
 Gaunersprache machte.

 Arbeit -  krüpple, buckle, krampfe, büeze.  -
 ist Sache des Höschbruders nicht.
wie folgende  Strophe
der Kleinbasler "Hymne"
"Z Basel uff dr Brugg"zeigt:

"Und am Mäntig macht me Blaue,
und am Zyschtig schlooft me us,
und am Mittwuch gort eim
 gopfridstutz no s'Pulver us.
und am Donnschtig suecht me Arbet,
und am Frytig foht me a,
und am Samschtig sott me
ums veregge Vorschuss ha!"

Nur zu oft stöhnt er:
"es stinkt mer, es raucht mer "
- ich habe es satt.





Der Baselbieter Eduard Strübin
hat 1944 eine höchst lesenswerte Studie
“Strömungen in einer Stadtmundart ”
über  die Höschsprache geschrieben.

Hier ein paar Beispiele


Dr' Schö - ich (von frz. Je)
auch dr' Schöggeli
(wobei ich mir bei
der Schreibweise nicht
sicher bin.

Kopf : Grind, Büüle, Bire, Kürze,
Dänggbibeli,

Glatze - Fliegeschlyyffi,
 Duurwälle mit Pause

Brille: Nasevelo,

Mund/Maul:Schnuure

Er het e Schnuure  wiene Beckerhutte,
wiene vertrampts Fufzgerli,
 wiene Arbeerikörbli,

Aesszimmer . Gebiss
Menüräche -Schnauz

 Lälli Zunge

Hand/Finger:
Toope, Klööpe,

Bauch: Ranze

Postur:
 e Poschtur wie ne Kleiderkaschte,
 wie ne Glämmerlisack,
 e Nussgipfelfigur,
 e Schiessbudefigur,

Schuhgrösse:
 die negschti Nummere
isch e Kindersärgli,
 Gygekäschde.

Füsse - Schwaisspropäller.

Frauen wurden als  Schpätzli, Mysli, 
Miggeli, Kätzli, d’Gritte, bezeichnet,
weniger schmeichelhaft als
Lisi,  Gäggsnase,  Riibyse,
Kuehfiidle oder gar als "Schlitzgyge".

Zimmerlindeaschpirantin
galt für die Braut/ Verlobte,
Zimmerlinde war die Ehefrau,
das Fangyyse - der Ehering

Die Kneipe hiess Beiz, Schpunte,
Knille, Zapfsäule und
Saftlande und 
 Servierbolze, Servierschnauz,
galten für die  Serviertochter,

ain im Gool haa
e Kischte iifange,
e Balaari -  Rausch,
betrunken sein.

Schnägg war der Ausdruck
sowohl für den Fümflyyber,
(5 Franken) wie
auch für die weiblichen Schamlippen.

Höpperli  galt für den
- Geschlechtsakt ,
wie auch für ein
Bein stellen.
"Är het em e Höpperli gstellt."

Aehnliche Doppeldeutigkeiten
galten auch für das
Schwööbli - ein
 Brötchen, das in der Mitte
eine Furche hat
(auch Fuudiweggli)

Rauchen  heisst "flemme";
"e Frosch" ist eine Zigarette,




Ausdrücke wie "Dasch dr Hammer"
was als Ausdruck der Empörung, wie
der Bewunderung gebraucht werden
konnte, wurden später von den
Halbstarken übernommen ...




... und fanden Eingang in den Schulhof
und somit in die Alltagssprache.

Ebenso "Seich" Seich verzelle, verzapfe,
 schwätze, läse, spiele, abloh,
der ganz Seich gheit obenabe —
 kurz, alles kann Seich (Urin) sein,

 ynepfäffere, ynebängle, ynejage,
ynejänze, ynejätte. -  etwas hineinschlagen
 oder hineinjagen.

anerapse,  anewamse, tue-n-is ein vorjäte,
konnte fürs Musikspielen wie für
"etwas herstellen" gebraucht werden.
aneklöpfe, anejäte .

Beschimpfungen und Beleidigungen:
Hesch Würm?
Hesch en Egge ab,
e Sprung in dr Schüssle,
 e Kopfschuss,
isch der der Käs weich worde?
Wenn me di aluegt, ich
eim 's Labe ve leidet.
 Gimmer dy Gsicht, so kani heim
 goh d'Kinder verschrecke!
Du hesch jo der Hafering no am
Füdle (zu einem Jungen).
"Du bisch jo mit em Milchbüechli
 (Konsibüechli) in d'Schuel".




 Konfirmantenharley"
für das "Velosolex"oder Moped.
Auch "Hämoroiideschauggle".

"Harley tramp mein Sohn"
für des Fahrrad.

Wenn das Langzeitgedächtnis erstmal in
Gang gesetzt ist, kommen einem noch
viele Ausdrücke der Gassensprache in den
Sinn, in denen  wohl die
 „Höschsprache“ weiterlebte.
Einiges davon ging in den alltäglichen
Sprachgebrauch über, anderes
 geriet in Vergessenheit.

Läck du mir am Tschööpli,
Kasch mr am Ranze hange, 
bloos mr in d‘Schueh
Kaasch mer in d Kappe schysse!
 - Du kannst mich gern haben! 

Läck Jimmy,  war eher bewundernd gemeint.

S isch zem Hoorööl säiche,
 S isch zem Ryysneegel schysse.
 -   Es ist zum Davonlaufen.

 stratze , stibitze, filze, klaue,
für stehlen

"gsibti Luft ootme "-
"in dr Kischte hocke - im Gefängnis sitzen,
auch - "handgschmiideti
Vorhänge ha".

e Lappe war eine Hunderternote

"Waggis" und "Schampedys"
galt  für Elsässer (Jean Baptiste)

Syydiaan - gefitzter, zweifelhafter
 Kerl; frz. citoyen

Viele Ausdrücke stammen  aus der
Erinnerung, wobei ich ausführlich aus
Eduard Strübin
"Strömungen in einer Stadtmundart" 1944
(Leider nur als pdf abrufbar)
und der
SCHATZDRÙGGE von Werni Lukas
zitiert habe, auf die ich ausdrücklich
aufmerksam machen möchte.





Die Fotografien von Lukas Stoecklin
zeigen das Kleinbasler Vergnügungsviertel
zwischen Rheingasse, Webergasse,
bis hin zum Claraplatz mit dem Clara Varieté
um Mitte der 1960er Jahre...





...und vermitteln einen Eindruck,
wie es damals zwischen dem ...




...  Kino Odeon und dem Clarakino aussah.



Claraplatz um 1953



Ein Hörbeispiel für die
"Höschsprache" liefert Ruedi Walter
mit
"S' isch Polizeischtund, Hösch! "