Beim Berufsberater gabs den Rorschachtest.
“Wo sehen Sie denn das alles?“
fragte er mich konsterniert, als ich nicht
aufhören wollte, Dinge in
die Kleckse hineinzusehen
oder herauszulesen.
Der Rorschachtest basiert auf der von
Hermann Rorschach
* 8. November 1884; † 2. April 1922
postulierten Neigung, Interpretationen
und Gefühle auf
mehrdeutige Anreize zu projizieren,
in diesem Falle Tintenkleckse.
Ich verstand wieder mal nicht, was
denn daran so Besonderes sein sollte.
In den sich verformenden Wolken
am Himmel Gestalten zu sehen,
war mir ein Zeitvertreib
von Kindsbeinen an.
Auch in
verwitterten Felsen oder Baumstrünken
Gnome, Riesen oder sonstige
Märchenwesen zu erkennen,
etwas Selbstverständliches.
Ich hatte auch schon früh durch
meinen Grossvater von
Leonardo da Vincis Rat gehört,
in altem Gemäuer Dinge zu
„schauen". In «Trattato della Pittura»
, rät er, sich von zufälligen
Flecken auf Mauern oder
Gestein zu neuen Sehweisen
und Kompositionen anregen zu lassen.
Auch bereitete es mir nie Mühe,
in ein Bild „hineinzusteigen“,
es sozusagen als Tor zu andern
Welten zu nutzen und mich
dann in der Welt des Bildes
fortzubewegen. Aehnlich wie
Ray Bradbury es in seinem
„Der illustrierte Mann“ schildert, wo
ein Mann einem Tramp begegnet
dessen Körper über und über mit
Tätowierungen bedeckt ist,
die ihm eine alte Frau, eine
Zauberin aus der Zukunft, auf die
Haut tätowiert hat. Nachts beginnen
die Körperbilder zu leben und erzählen
Geschichten von
möglichen Zukunftswelten.
Auch von Max Ernsts „Frottagetechnik“
hatte ich damals schon gelesen,
wenn ich auch nicht ganz verstand, warum der
darob so ein Aufheben machte.
Max Ernsts 1925 Frottagetechnik
entstand laut seinen Aussagen
aufgrund einer "visionären
Heimsuchung": "...die meinem
faszinierten Blick die Fußbodendielen
aufdrängte, auf denen
tausend Kratzer ihre Spuren
eingegraben hatten. ... um
meine meditativen und halluzinatorischen
Fähigkeiten zu unterstützen,
machte ich ( ... ) eine Serie von
Zeichnungen, indem ich auf sie ganz
zufällig Papierblätter legte und diese
mit einem schwarzen Blei rieb. ...
da war ich überrascht von der plötzlichen
Verstärkung meiner visionären
Fähigkeiten und von der halluzinatorischen
Folge von gegensätzlichen
und übereinandergeschichteten Bildern, ... .."
(Max Ernst: "Au delà de la peinture"),
War nun das, was mir ganz
selbstverständlich schien,
etwas Minderwertiges oder
etwas Aussergewöhnliches?
P.S. Immerhin hat auch
der Regisseur Robert
Siodmak den Rorschachtest
im Spielfilm
«The Dark Mirror» (1946)
eingesetzt und Ray Bradbury
hat eine wunderbar seltsame
Erzählung über den «Mann im
Rorschach-Hemd» geschrieben (1969)....
ganz zu schweigen eben
vom „Der illustrierte Mann“
wikipedia.org/wiki/Der_illustrierte_Mann