Freitag, 21. Oktober 2016

„C-a-f-f-e-e, trink nicht so viel Kaffee...





„C-a-f-f-e-e, trink nicht so viel Kaffee. 
Nicht für Kinder ist der Türkentrank, 
schwächt die Nerven, 
macht dich blass und krank. 
Sei doch kein Muselmann, 
der ihn nicht lassen kann.“



Was ich schon vor Jahren befürchtet habe, die
Gesinnungspolizei der Abteilung
 „Newspeak and  Goodthink“ hat nun auch den
beliebten Kanon des aus Sachsen stammenden...





...  Komponisten Carl Gottlieb Hering (1766–1853)
auf die Liste des „Crimethink“ gesetzt und
 aus den Schulgesangsbüchern verbannt.




(Blick vom 14. Oktober 2016)

 Was über 200 Jahre lang von
Generationen gesungen wurde, 
ohne, dass meines Wissens irgendjemand
Schaden an Leib und Seele genommen 
hätte, ist nun plötzlich des Teufels.
Wieder wird ein Stückchen
Kulturerbe den fragwürdigen
Massstäben der"Political
Correctness" geopfert.

 Pirmin Lang, Fach­didaktiker für Schulmusik
 an der Musik-Hochschule Luzern, 
meint : „Der Text müsse heute als 
"problematisch» betrachtet werden“.

„Rassistische, ­sexistische oder
 drogen- und ­gewaltverherrlichende 
Texte ­haben im schulischen Umfeld 
nichts verloren (...) “ sagt Lang.

Nur bleibt er im Fall 
des „C-a-f-f-e-e- Kanons“
  den Nachweis schuldig, 
wo diese Kriterien zutreffen sollen.

Wenn schon, müsste als Begründung die
unzulässige Verunglimpfung
eines Genussmittels
angeführt werden.

Selbst wenn  man den Kaffee als Droge
betrachtet, so wird diese in diesem Lied in
keinster Weise verherrlicht, sondern 
 die zarte Kinderseele wird  in pädagogisch
vorbildlichster Weise vor 
den Gefahren gewarnt:

“Nicht für Kinder
 ist der Türkentrank, 
schwächt die Nerven,
 macht dich blass und krank „ 

Da gehörte dann etwa
 Johann Sebastian Bachs
verherrlichende "Kaffeekantate"
eher noch in Acht und Bann
geschlagen.

"Ei, wie schmeckt der Kaffee süsse,
Lieblicher als tausend Küsse,
Milder als Muskatenwein.
Kaffee, Kaffee muss ich haben,
Und wenn jemand mich will laben,
Ach, so schenkt mir Kaffee ein! "



August Macke "Türkisches Café"


Als Carl Gottlieb  Hering  den
 Kaffee-Kanon komponierte,
wurde das Osmanische Reich von den
westlichen Grossmächten
 propagandistisch als
 „Kranker Mann am
 Bosporus“ bezeichnet.

Ob  Hering solche
politischen Bezüge für sein
Kinderlied im Auge hatte,
erscheint mir zumindest
 fraglich,. Viel eher stand wohl
 die höchst umstrittene,
angeblich schädliche
Wirkung des Kaffees
 auf die Gesundheit,
die von verschiedenster Seite
 bis zum heutigen Tag
immer wieder
heraufbeschworen  wird,
im Vordergrund.

Der Kenntnisstand über die
gesundheitlichen Auswirkungen
stand damals aber auf tönernen Füssen.

Der König von Schweden,
Karl Gustav III soll
 im 18. Jahrhundert Experimente
 zur Gefährlichkeit des Kaffees
durchgeführt haben und
zwei zum Tode verurteilte
 Zwillinge, mehrere Jahre lang
 dazu verurteilt haben,
viel Kaffee und viel
Tee trinken. Die Legende berichtet,
dass der Kaffeetrinker länger
als der Teetrinker lebte.

Friedrich der Grosse soll
die Meinung
vertreten haben, dass
Biersuppe allemal gesünder
sei, als Kaffee.




Dass der Kaffee aus Äthiopien 
stammt, und über  Arabien, 
und der Türkei  ...





... den Weg nach Europa...




...  gefunden hat,
 ist eine simple historische Tatsache.

"Kafe" ist ein türkisches Wort, angelehnt an
die Ursprungsregion "Kaffa" im
Südwesten Abessiniens.
1554 wurde in Konstantinopel
das erste Kaffeehaus
 eröffnet.






1645 wurde in Venedig
ein Kaffeehaus eröffnet.
1650 folgten Oxford,
1652 London, 1659 Marseille,
1663 Amsterdam und Den Haag.
 1672 Paris, 1673 Bremen und 1677 Hamburg.





Nach der vernichtenden Niederlage
 der Türken vor Wien 1683 erhielt,
so die Legende, der aus Polen stammende
 Franz Georg Kolschitzky,
 die zurückgelassenen Kaffeebestände und die
Erlaubnis für den Ausschank von Kaffee. 
Tatsächlich soll es der Armenier
Johannes Theodat
gewesen sein, der 1685
das erste Kaffeehaus aufmachte.




Daraus entwickelte sich dann
die Wiener Kaffeehauskultur.
In der Kaffeewerbung wurde
lange Zeit erfolgreich und sicherlich
nicht in abschätziger Weise,
der orientalische
Bezug benutzt




Den Kaffee als "Türkentrank" zu bezeichnen,
muss keineswegs diskriminierend gemeint sein.
Als älteste bekannte Art, um Kaffee zuzubereiten,
gilt der Türkische Kaffee, auch Mokka genannt,
Seine  Zubereitungsart gehört er seit 2013
 zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe.
Das Wort "Trank" selbst wird
im älteren Sprachgebrauch
durchaus positiv
verwendet, wie etwa in
"Heiltrank"
"Göttertrank"
"Zaubertrank"
und ist etwa als "Speis' und Trank"
noch heute, wenn auch
seltener,  gebräuchlich.





 Muselmann  war
zur Entstehungszeit
 des Liedes die
übliche deutschsprachige 
Bezeichnung für Muslime.

Die Bezeichnung mag
heute veraltet sein,
 wie aber das Amtsgericht
 Hagen  (Deutschland) in einem Urteil
von 2015 feststellte,
 bei „ruhiger und sachlicher 
Betrachtungsweise im Rahmen 
des Artikels 5 des Grundgesetzes
 nicht zu beanstanden“.

Zudem sollten Fachdidaktiker
meines Erachtens in der Lage sein,
einen veralteten Begriff in den
historischen  und aktuellen
Kontext zu setzen.



"Also lautet ein Beschluss:
Dass der Mensch was lernen muss.
Nicht allein das Abc
Bringt den Menschen in die Höh,
Nicht allein im Schreiben, Lesen
Übt sich ein vernünftig Wesen;
Nicht allein in Rechnungssachen
Soll der Mensch sich Mühe machen;
Sondern auch der Weisheit Lehren
Muss man mit Vergnügen hören.
Dass dies mit Verstand geschah
War Herr Lehrer Lämpel da."