Samstag, 1. August 2015

Wilhelm Tell 2






"Ob sie geschehen? Das ist hier nicht zu fragen.
Die Perle jeder Fabel ist der Sinn. Das Mark der
 Wahrheit ruht hier frisch darin.
Der reife Kern von allen Völkersagen."

Gottfried Keller


Die obige Farbskizze wurde von Ernst Stückelberg 
 als Vorarbeit zu den Fresken der Tell-Kapelle
geschaffen.





Seine Fresken in der Tellskapelle machten
Ernst Stückelberg 
( Johann Melchior Ernst Stickelberger;
 21. Februar 1831 . 14. September 1903 )
 zu einem der populärsten Maler seiner Zeit.
Er gewann 1877 den Wettbewerb zur
 Ausschmückung der Tellskapelle am Urnersee.
 Am 24. Juni 1883 wurde die
neue Kapelle eingeweiht
 und Stückelberg erhielt den 
Ehrendoktor der Universität Zürich.
Die vier Motive
Der Apfelschuss
Tells Sprung
Gesslers Tof und der Rütlischwur
wurden als Postkarten hunderttausendfach
verbreitet. 






Friedrich Schillers Drama Wilhelm Tell 
wurde am 17.3.1804 im Hoftheater 
in Weimar uraufgeführt und
 hat seitdem eine lange und bewegte 
Wirkungsgeschichte hinter sich.





 Das "Mährchen mit dem Hut u. Apfel" wurde 
seitdem von “revolutionären”, wie 
von “konservativen” Kräften
aller Couleur 
in Beschlag genommen und 
zu instrumentalisieren gesucht.




„Durch diese hohle Gasse muss er kommen. 
Es führt kein andrer Weg nach Küssnacht.“




Tell wurde als Freiheitskämpfer
 und Revolutionär, wie auch als
Terrorist und Tyrannenmörder interpretiert. 

Die wechselhafte Geschichte
der Tellwahrnehmung und Darstellung
habe ich bereits in einem früheren Blog
zu skizzieren versucht.





Tell gilt in der Schweiz zur Zeit Vielen eher
als Repräsentant eines
“veralteten, nationalkonservativen
Geschichtsbildes”.



"Blick" 17. März 2015

Das war nicht immer so:

"Wenn zur Zeit der äusseren Bedrohung der 
Schweiz durch Hitler die Menschen im Theater 
sich von ihren Sitzen erhoben und in tiefer 
Ergriffenheit den Rütlischwur mitsprachen,
 indentifizierten sie sich mit dem Geschehen 
auf der Bühne - mit der schweizerischen 
Befreiungssage in der Version Friedrich Schillers.
 Dabei ist es, was diese Wirkung betrifft, 
völlig gleichgültig, ob sie glaubten, die Dinge 
hätten sich damals [d.h. im Spätmittelalter]
 so zugetragen, wie im Drama...




Schulwandbild ca. 1908

...  "Wir waren 
ergriffen, aber wir glaubten nicht an die 
Historizität der Handlung auf der Bühne. 
Was ergriff, war ihr Sinn, die Kraft des Wortes. 
Zugegeben: Der Vorgang hat etwas Verwirrendes.
 Er ist es nicht, wenn man bejaht, dass der 
Symbolgehalt des Mythos eine der bewegenden
 Kräfte des individuellen und kollektiven 
Seelenlebens ist." 
(J. R. von Salis: Ursprung, Gestalt und 
Wirkung des schweizerischen Mythos von Tell)





Die “Historizität” Tells ist
mehr als umstritten.
Der Historiker Jean-François Bergier:
 „Wir stehen vor dem Problem
der erzählten Geschichte.
Sie ist allen möglichen
Manipulationen ausgesetzt
und sie unterliegt ihnen
 unweigerlich. Von einem
Erzähler zum anderen
überkreuzen sich die
einzelnen Ereignisse, sie
werden chronologisch
verwechselt, sie kollidieren
miteinander, sie
geraten durcheinander.
Und stets ist die
Versuchung gross, Personen
miteinander zu verbinden
oder gar zu verschmelzen,
die gar nichts miteinander zu tun hatten.“

„Im Grunde ist all
das nebensächlich“,
 meint  Bergier weiter: 
„Es schmälert nicht die 
Glaubwürdigkeit der Erinnerung 
in ihrem wesentlichen Gehalt: 
Ein in seinem Stolz und in 
seinem als gerecht empfundenen 
Unabhängigkeitsanspruch
 verletztes Volk begehrt auf; 
es finden sich in ihm einer
 oder mehrere Helden, 
die diesem Aufbegehren 
öffentlich und konkret
 Ausdruck verleihen.“




Schon früh wurde Wilhelm Tell
als Brunnenfigur ein Denkmal gesetzt.
So von  Joseph Benedikt Curiger, 
1786–1860 dessen  Brunnenfigur
erst  in Altdorf und 
seit 1891 Brunnenfigur in Bürglen steht.





In Bürglen, das als
Tells Heimatort gilt.
erinnert ein Denkmal von 
Toni Walker auch
an Tells Frau Hedwig.





Das wohl berühmteste  Telldenkmal
steht  auf  Rathausplatz 
von Altdorf, Kanton Uri und 
stammt  von Richard Kissling und
wurde 28. August 1895  eingeweiht. 
Auf dem Sockel steht das traditionelle
 Datum des Rütlischwurs, 1307. 
Das Hintergrundbild stammt
 vom Kunstmaler Hans Sandreuter.





Eine Kopie der Statue... 




... findet sich
im 1858 gegründeten 
Städtchen Tell City, Indiana.




Berühmt durch seine Tell City Pretzels.








Tellensohn Walter am
Haus der Schweiz in Berlin.
Erbaut in den Jahren 1934-1936
vom Schweizer
 Architekten Ernst
Meier-Appenzell.
Weil die Nationalsozialisten
 eine Darstellung  des
Schweizer Nationalhelden
 selbst nicht dulden wollten,
bildete man  eben dessen Sohn
 mit Armbrust und Apfel ab.




Otto Baumberger


In den ersten Jahren der
nationalsozialistischen
Diktatur wurde
 „Wilhelm Tell“ noch
hoch hochgeschätzt.


Adolf Hitler hatte für das achte
Kapitel von „Mein Kampf“
 die Überschrift
„Der Starke ist am
mächtigsten allein“
 aus Schillers „Tell“ gewählt.

Dann wurde dem "Führer"
 aber wohl bewusst,
 dass das Drama auch
 noch in anderem Sinne
 interpretiert werden konnte. und
am 3. Juni 1941 erging das Gebot,
dass " ... Schillers Schauspiel
"Wilhelm Tell'"
nicht mehr behandelt wird."

Damit hörte Friedrich Schillers
 "Wilhelm Tell" für die
deutsche Öffentlichkeit
im Dritten Reich
 auf zu existieren und
war damit der einzige
deutscher Klassiker,
 der während der Nazi-Zeit mit
einem Aufführungs- und
 Leseverbot belegt wurde.





Nun, "Wilhelm Tell" hat es überstanden
und wird bis zum heutigen Tag immer
und immer wieder aufgeführt.





Der  "Lone Ranger" ritt zur Melodie
 von Rossinis Tell Ouverture...





... die es gar zum Twist schaffte,
was bei meinen Lehrern damals
für grossen
Unmut sorgte.


Papa Tell, Papa Tell war ein grosser Held,
Papa Tell ist bekannt auf der ganzen Welt,
Papa Tell traf den Apfel ganz genau!
Das war eine Schau!







Und selbst den Sprung in die
Welt der Computerspiele
 hat er geschafft.


Aktuell ist der Hintergrund der Tellsage und
die Willkür der “fremden Vögte”
in der Schweiz bis
zum heutigen Tag geblieben.






"Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben,
wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt."
Friedrich Schiller aus: Wilhelm Tell





"Brüssel stellt Bedingungen
Fremde Richter – EU setzt
 Schweiz unter Druck
Die Schweiz soll den
 europäischen Gerichtshof als
 oberste Instanz anerkennen,
 fordern EU-Staaten.
Man würde die Schweiz
bezüglich Abkommen 
zudem gern überwachen
und sanktionieren." 
“20 Minuten” 6. Juli 2014

Das Bild der "fremden Vögte"
geht zurück auf die Zeit Tells.

Damals, um 1291, genossen
 die  durch die Öffnung
des Gotthardpasses
wirtschaftlich und politisch
wichtig gewordenen  Länder Uri und
 Schwyz  die Reichsunmittelbarkeit:
Sie verwalteten  sich selbst
und hatten ihre eigene
Rechtsprechung.





 Bis Rudolf von Habsburg
 Vögte einsetzte.
„Fest steht, dass die
Gegenwart ihrer Ministerialen,
die sie als Statthalter
 einsetzten, als Einmischung
und Anmassung empfunden
wurde“, schreibt
Jean-François Bergier.
Diese Einmischung „störte das empfindliche
gesellschaftliche Gleichgewicht in den
Talgemeinschaften; sie komplizierte das
tägliche Leben; sie brachte neue Lasten und
zehrte am Einkommen der Bauern; sie brachte
 fremde Massstäbe in der Rechtsprechung,
 sie erzeugte Misstrauen und Unsicherheit.“




Die lange Tradition der
Tellspiele 
seit 500 Jahren in Altdorf ...




Seit 100 Jahren in
Interlaken ...





... und seit über 75 Jahren in New Glarus
scheint mir doch auf eine tiefe Verwurzelung
der Sage im Volk hinzuweisen.





Spalenvorstadt 38 Basel


Ebenso die Tatsache,
dass Tells Name so manche
Gastwirtschaft ziert...




... und auch eine bekannte Biermarke
seinen Namen trägt.